Wunder // Wonder
von Raquel J. Palacio
Gebunden mit Schutzumschlag // 384 Seiten
ISBN: 9783446241756
Preis: 16,90€
August ist anders. Dennoch wünscht er sich, wie alle Jungen in seinem Alter, kein Außenseiter zu sein. Weil er seit seiner Geburt so oft am Gesicht operiert werden musste, ist er noch nie auf eine richtige Schule gegangen. Aber jetzt soll er in die fünfte Klasse kommen. Er weiß, dass die meisten Kinder nicht absichtlich gemein zu ihm sind. Am liebsten würde er gar nicht auffallen. Doch nicht aufzufallen ist nicht leicht, wenn man so viel Mut und Kraft besitzt, so witzig, klug und großzügig ist - wie August.
Als ich mich für eine Leserunde auf lovelybooks.de für dieses Buch bewarb, wusste ich noch nicht, was auf mich zukommt. Ein berührendes, trauriges, lustiges, mitreißendes Buch, das bis unter die Haut geht, durchs Blut und mitten ins Herz. Wenn man
Wunder in nur einem Satz zusammenfassen sollte, dann so. Beim Lesen musste ich immer wieder lachen, und dennoch oft die Tränen zurückhalten, um weiterlesen zu können.
Es geht um den Jungen August, der an einer seltenen Kombination an Gendefekten leidet. Andere Kinder halten ihn für entstellt, haben Angst vor ihm, da er nicht unbedingt aussieht, wie sich die meisten "normal" vorstellen. Jetzt soll er zum ersten Mal in die Schule gehen und muss sich vielen Dingen stellen, allen voran der Realität und den anderen,
normalen Menschen.
Als Leser erfährt man erst nach und nach, was an Auggie, wie ihn seine Freunde nennen, eigentlich anders ist. Zwar lässt er am Anfang schon durchblicken, dass er nicht gerade toll aussieht, weil sein Gesicht schon von Geburt an etwas "zermatscht" wirkt, um Auggies Worte zu benutzen. Aber da man sich davon noch nicht wirklich ein Bild machen kann, lernt man erst einmal August selbst kennen, ohne die Vorurteile, die sich Menschen anhand des Aussehens immer bilden. Vielleicht liegt es ja daran, dass Auggie so eine schwierige Kindheit hatte und sich immer mit angeekelten Blicken oder Mitleid abgeben musste. Jedenfalls hat er eine wirklich bewundernswerte klare Sicht der Welt. Er denkt mit einer Mischung aus Neugier und kühlem Kopf über die unterschiedlichsten Dinge nach, was zumindest ich einem Jungen in seinem Alter nicht zutrauen würde. Dass das Ganze dennoch nicht unecht wirkt, liegt daran, dass R. Palacio ihm jungenhafte und menschliche Eigenschaften angehängt hat, wie zum Beispiel seine Liebe zu Star Wars.
Während man also zuerst seine guten Eigenschaften kennenlernt, wie den Mut, sich der Schule zu stellen, was für einen Jungen wie Auggie wirklich nicht leicht sein kann, oder seine Liebe zu seiner Familie oder eben seinen bewundernswerten Blick auf die Welt, fragt man sich unwillkürlich immer, ob man eigentlich genauso reagieren würde, wie die meisten anderen Kinder an Augusts neuer Schule. Natürlich denkt man sich sofort, dass man vielleicht erstmal verdutzt wäre, sich aber dann entschließen würde, August zu helfen, ihm zur Seite zu stehen, da es doch so offensichtlich schwer für ihn ist, mit diesem Gesicht zu leben. Aber stimmt das auch wirklich? Ist es nicht in Wirklichkeit viel schwieriger, als man denkt, einem Jungen beizustehen, der von allen schräg angeguckt wird, der überhaupt immer und immer wieder angeguckt wird, weil die Menschen kaum glauben können, was man da sieht?
Die Geschichte mit diesen Gedanken zu lesen, das nachzuvollziehen, das macht das Buch so schwer zu verdauen. Auggie tut jeder komische Blick weh, den ihm die Leute zuwerfen, auch wenn er sich jegliche Regung verkneift, die auch nur verraten könnte, wie es ihm wirklich geht. Er trägt sogar volle zwei Jahre lang ununterbrochen einen Astronautenhelm, um sein Gesicht zu verstecken.
Neben August gibt es noch viele andere wirklich bewundernswerte Personen in diesem Buch, aus deren Sicht auch geschrieben wird, was die ganze Geschichte noch einmal viel besser erklärte. Die einzelnen Sichtweisen fügten sich zusammen, erklärten beispielsweise, wie viele Dinge die große Schwester Via jeden Tag hinter Auggies Bedürfnisse stellen muss, wie sie es schon ihr ganzes Leben getan hat. Oder sie erklärte, warum Summer sich am ersten Tag neben August setzte und ihm eine echte Freundin wurde.
In diesem Buch geht es nicht nur darum, wie ein Junge mit einem etwas
anderen Gesicht mit der Welt fertig wird und lernen muss, damit umzugehen. Es geht darum, was andere Menschen tun können und sollten, um ihn bestmöglich zu untersützen. Dass es auch für sie nicht unbedingt leicht ist, Auggie zum Freund zu haben, oder in der Familie. Und vor allem zeigt diese Geschichte, dass Liebe und Freundschaft nicht ums Aussehen geht. Dass Loyalität und Freundlchkeit das Wichtigste sind, dass man auch mal Mut zeigen muss, um eine Freundschaft zu beginnen.
Wunder ist eine so aufwühlende, berührende Geschichte, wie man sie kaum bekommen kann. Ich habe jede Seite genossen und jeden Menschen, der Auggie unterstützt hat, bewundert, weil ich mir nicht einmal sicher bin, wieviel Mut ich selbst an ihrer Stelle hätte aufbringen können. Die Liebe, die August von so wenigen Menschen am Anfang bekommt, ist vielleicht mehr wert als die, die einige Menschen in ihrem ganzen Leben zu spüren bekommen werden. Wem hier nicht wenigstens an einer Stelle die Tränen kommen, der sollte vielleicht ein wenig über Menschlichkeit nachdenken.